Potsdam: Telegrafenberg, ehem. Observatorien großer Refraktor (c) DSD | | | Technische Denkmale ermöglichen den Blick ins All | Der Große Refraktor in Potsdam als exemplarisches Zeugnis der Technikgeschichte
Der Blick in die Sterne fasziniert die Menschen schon seit der Bronzezeit und hat lange ihr Leben bestimmt. Davon zeugt etwa die Himmelsscheibe von Nebra, die Ende der 1990er Jahre in Sachsen-Anhalt gefunden wurde. Über die Jahrhunderte wurden die Beobachtungsgeräte stets verbessert und verfeinert. Bis schließlich Bauten nur zum Zweck der Himmelsbeobachtung errichtet wurden. Weil sie als bedeutende Meilensteine für die technische Entwicklung – in diesem Falle durchaus zu Recht – der Menschheitsgeschichte Zeugnis ablegen, stehen heute eine Reihe von ihnen unter Denkmalschutz. Bundesweit hat die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) in den vergangenen 40 Jahren ihres Bestehens eine ganze Reihe gefördert, teilweise mehrfach. So das ehemalige Meteorologische Observatorium in Tauche, die Rohrbachsche Sternwarte in Gotha, die Sternwarten in Sonneberg, Hamburg und Mannheim, oder auch das Radioteleskop in Stockert bei Bad Münstereifel und die „Radardome“ (Radom) in Bochum und Raisting.
Einer besonderen Herausforderung stellte sich die Stiftung auf dem Telegrafenberg in Potsdam. Mit Mitteln der DSD und der in ihrer Obhut befindlichen Pietschker-Neese-Stiftung wurde die Gesamtsanierung der dortigen Observatorien zwischen 2003 und 2024 gefördert, wobei nicht nur die Bausubstanz, sondern gerade auch die technischen Einrichtungen instandgesetzt wurden. Dazu gehörten der Große Refraktor, der photographische Refraktor, das geodätische Institut, das Meridianhaus und die Grobwerkstatt. Genutzt werden die Gebäude heute teilweise durch den Wissenschaftspark “Albert Einstein”, als Schülerlabore und Büros, für Vorführungen und Veranstaltungen, aber auch als Werkstatt für Künstler.
Neun Bauabschnitte lang begleitete die DSD die Restaurierung des Großen Refraktors auf dem Telegrafenberg. Er entstand genau dort, weil man Ende des 19. Jahrhunderts einen neuen Platz für die Himmelsbeobachtung suchte. Eine Beobachtungsstation "an einem günstig gelegenen Punkt in der Nähe Berlins, ... welche gleichzeitig als magnetische und meteorologische Hauptstation fungieren sollte", forderte Hermann Carl Vogel in einem Memorandum des Jahres 1871 für die Astronomie und die Astrophysik. Benötigt wurde ein freies Gelände ohne Erschütterungen und in reiner Luft, nachdem die von 1830 bis 1835 nach Plänen Schinkels in der Berliner Lindenstraße gegenüber dem Kammergericht fast freistehend erbaute Sternwarte bereits völlig eingebaut war und das nächtliche Licht, der Dunst der Großstadt und die Erschütterungen der Hochbahn exakte astronomische Beobachtungen kaum mehr zuließen.
Die Wahl für das neue Gelände fiel auf den Telegrafenberg in Potsdam, so benannt nach der 1832 dort aufgestellten optischen Telegrafenstation. Nach Entwürfen und unter der Oberleitung des Stüler-Schülers Paul Emanuel Spieker (1826-1896) entstand in der weitläufigen parkähnlichen Anlage 1876/1877 das Hauptgebäude des Observatoriums. Als Erweiterungen folgten bis 1899 der Bau des Meteorologisch-Magnetischen Observatoriums, der des Geodätischen Instituts und schließlich 1899 der Bau des Kuppelgebäudes für den Großen Refraktor. In bester Schinkel-Tradition verbinden die Backsteinbauten Spiekers Form und Zweckmäßigkeit. Sämtliche Anlagen sind erhalten und werden, wenn auch nicht mehr mit den alten Instrumenten, heute noch genutzt.
Insbesondere auf dem Gebiet der Spektralanalyse der Gestirne erlangte das Observatorium auf dem Telegrafenberg, das weltweit erste ausschließlich dem neuen Forschungszweig der Astrophysik gewidmete Institut, schnell Anerkennung. 1896 wurde aufgrund der steigenden Ansprüche an exakte wissenschaftliche Ergebnisse der Spektralanalyse von Himmelskörpern ein größeres Fernrohr notwendig. Ebenfalls nach Plänen Spiekers, die dieser noch vor seinem Tode 1896 gezeichnet hatte, entstand der Große Refraktor. Die völlige Reduktion des Baus auf seine Funktion unter der Leitung von Eduard Saal ist den knappen Mitteln geschuldet, obwohl eine private Initiative für diesen Bau 600.000 Mark gesammelt hatte. Die Einweihung fand am 26. August 1899 durch Kaiser Wilhelm II. statt.
Das Teleskop ist ein Doppelrefraktor, der zwei fest miteinander verbundene Fernrohre auf einer parallaktischen Montierung vereinigt. Es handelt sich um das viertgrößte Linsenrohr der Welt. Das größere Rohr besitzt ein Objektiv von 80 Zentimeter Durchmesser und eine Brennweite von 12,2 Metern. Das kleinere, für visuelle Beobachtungen bestimmte Objektiv hat einen Durchmesser von 50 Zentimeter und eine Brennweite von 12,5 Metern. Der lichte Durchmesser der drehbaren Kuppel beträgt 21 Meter, ihr Gewicht 200 Tonnen.
Im April 1945 wurden der Große Refraktor und andere Bauten bei einem Luftangriff teilweise schwer beschädigt. In den 1950er Jahren erfolgte eine Wiederherstellung von Bau und Instrument durch die Firma Carl Zeiss Jena. Doch 1968 wurde der Beobachtungsbetrieb "auf höhere Weisung" und damit die weitere Pflege eingestellt. Lediglich die Außenhaut der Kuppel wurde von 1986 bis 1990 saniert. In Zusammenarbeit mit dem Astrophysikalischen Institut Potsdam, dem Land Brandenburg und dem Landesamt für Denkmalpflege bemüht sich seit 1997 ein Förderverein um die Erhaltung der Anlage. Seit der Wiedereinweihung des Großen Refraktors am 31. Mai 2006 ermöglichen der Förderverein und das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) bei Führungen und Beobachtungsabenden Interessierten einen Blick ins All.
Seit ihrer Gründung vor 40 Jahren förderte die private Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) über 760 Maßnahmen an „Technischen Denkmalen“, darunter 240 Industriebauten und 230 technische Einrichtungen. Die 1985 gegründete spendensammelnde Stiftung unterstützt engagierte private, kirchliche und kommunale Denkmaleigentümer beim Erhalt ihrer Bauwerke. Denkmalpflege als staatliche Aufgabe wird wir dank dieser bürgerschaftlichen Unterstützung zu einem gesamtgesellschaftlichen Auftrag. Die DSD konnte bisher für den Erhalt von 7.400 Denkmalen unserer Baukulturlandschaft mehr als eine dreiviertel Milliarde Euro zur Verfügung stellen und damit ein deutliches Zeichen setzen. | | | Eintrag vom: 21.07.2025 | |
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